Interrogare – Premium Partner succeet22 #Brandgoals: Nachhaltigkeit

Seit einigen Jahren ist der Begriff Nachhaltigkeit in aller Munde und in Fachbeiträgen und auf Veranstaltungen allgegenwärtig – so auch auf der succeet22, in einem Vortrag unseres Premium Partners Interrogare zum Do-/Say-Gap. Interpretiert wird Nachhaltigkeit je nach Sichtweise als wichtiges Differenzierungsmerkmal oder als Green-Washing-Maßnahme. Doch was genau ist mit Nachhaltigkeit eigentlich gemeint? Walter Freese ordnet das Thema ein.

Der Begriff Nachhaltigkeit – ein komplexes Konstrukt

Laut Wikipedia ist Nachhaltigkeit „ein Handlungsprinzip zur Ressourcen-Nutzung, bei dem eine dauerhafte Bedürfnisbefriedigung durch die Bewahrung der natürlichen Regenerationsfähigkeit der beteiligten Systeme gewährleistet werden soll.“ Dabei ist Nachhaltigkeit kein Phänomen oder Konzept unserer Zeit. Ursprünglich stammt der Begriff vermutlich aus der Forstwirtschaft und ist mehrere hundert Jahre alt. Im Kern ging es immer darum, dass in einem Wald nur so viele Bäume abgeholzt werden sollten, wie in diesem Wald in absehbarer Zeit nachwachsen können, was den langfristigen Bestand des Waldes sicherstellen soll. Internationale Bekanntheit erlangte der Begriff Nachhaltigkeit in den 1980er Jahren durch die sogenannte Brundtland-Kommission der Vereinten Nationen. Deren Abschlussbericht „Our Common Future“ von 1987 enthält das Konzept und eine allgemein gültige Definition für nachhaltige Entwicklung: „Humanity has the ability to make development sustainable – to ensure that it meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“

Im Jahr 2015 verabschiedete die UN-Vollversammlung im Rahmen des UN-Nachhaltigkeitsgipfels die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ in der insgesamt 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDG) entwickelt worden sind, die von der Bekämpfung von Hunger und Armut, der Sicherung der Gesundheit und Bildung über Geschlechtergerechtigkeit bis hin zum Klimaschutz reichen. Diese 17 Ziele machen deutlich, wie weit der Begriff der nachhaltigen Entwicklung gefasst wird.

Nachhaltigkeit wurde also im Laufe der Zeit von einer relativ einfachen und eindimensionalen Theorie zur Erhaltung von Wäldern, zu einem umfassenden und komplexen Konstrukt. Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass das allgemeine Verständnis von Nachhaltigkeit sowohl auf Seiten der Unternehmen als auch bei den Verbrauchern diffus und uneindeutig ist.

Vor diesem Hintergrund haben sich die Bielefelder Marktforscher von Interrogare mit diesem Thema beschäftigt. Im Rahmen einer großen repräsentativen Online-Studie mit insgesamt mehr als 2.600 Befragten wurde einem zufällig ausgewählten Teil der Stichprobe Fragen zum Verständnis bezüglich Nachhaltigkeit gestellt.

Jetzt anmelden zum Interrogare-Vortrag auf der succeet22: „Nachhaltigkeit in der Krise: Die Do-/Say-Gap überlisten“ von Sören Scholz, am 20. Oktober, 11:40 – 12:10 Uhr

Nachhaltigkeit, das Thema einer Interrogare-Studie – die Befragungsmethode

Da es gerade bei emotional und moralisch aufgeladenen Begriffen in Befragungen oft zu Ergebnisverzerrungen wie der sozialen Erwünschtheit oder des sogenannten ‚Positive-bias‘ kommt, wurde im Rahmen der Studie ein sogenanntes implizites Verfahren, die Reaktionszeitmessung, eingesetzt. Konkret sieht dies so aus, dass den Befragten am Monitor der Reihe nach rund 40 Wörter – von „Klimaschutz“ und „Tierwohl“ über „Produktqualität“ und „Wirtschaftswachstum“ bis hin zu „gesunde Ernährung“ und „Konsumverzicht“ – eingeblendet wurden und diese möglichst schnell antworten sollten, ob diese Wörter zum Begriff Nachhaltigkeit passen oder nicht. Die Antwortzeiten sind dabei ein sehr guter Indikator, ob es eine starke Assoziation zwischen den beiden Begriffen gibt. Schlicht gesagt: Je schneller jemand antwortet, umso stärker sind die impliziten, unbewussten Assoziationen.

Die Ergebnisse: Eine semantische Verortung von Nachhaltigkeit

Zunächst zeigt sich, dass die Verbraucher ein sehr breites Verständnis von Nachhaltigkeit haben. Tatsächlich weisen fast alle 40 getesteten Wörter starke Assoziationen zum Begriff Nachhaltigkeit auf.

Die meisten Befragten verbinden mit Nachhaltigkeit die Wörter Klimaschutz, saubere Luft, ökologisch, sauberes Wasser und umweltbewusst. Den geringsten Zusammenhang gibt es bei Selbstbestimmung, Partnerschaft, Wirtschaftswachstum, Geschlechtergerechtigkeit und divers. Dazwischen verorten sich weitere 30 Wörter. 

Um die Komplexität ein wenig zu reduzieren, wurden durch statistische Verfahren die hinter den Wörtern liegenden Hauptdimensionen analysiert. Mithilfe einer sogenannten Faktorenanalyse entdeckten wir vier Dimensionen von Nachhaltigkeit:

  1. Gesellschaftliche und moralische Werte: Ernährungssicherheit, Gesundheit oder auch soziales Engagement.
  2. Umweltaspekte: Regionale Produkte, Sauberkeit von Wasser und Luft bis hin zu erneuerbaren Energien.
  3. Konsumthemen: Neben Produktqualität und Tierwohl findet sich hier auch der Konsumverzicht.
  4. Zukunft: Hier geht es um die Langlebigkeit von Produkten und das Bewahren.

Diese Analyse zeigt einige spannende Erkenntnisse für die Marken- und Marketing-Verantwortlichen in den Unternehmen, die sich mit der Relevanz von Nachhaltigkeit beschäftigen, auf.

Einerseits ist Nachhaltigkeit ein insgesamt sehr positiv besetztes Konstrukt, das viele Möglichkeiten in der Kommunikation eröffnet. Der Schutz der Umwelt und der natürlichen Ressourcen der Welt ist ein starker Treiber der Nachhaltigkeit. Andererseits sind auch Themen wie Langlebigkeit, Produktqualität oder die Müllvermeidung Themen, über die eine nachhaltige Marke kommunizieren kann.

Nachhaltigkeit und Unternehmenserfolg

Neben der Ermittlung der semantischen Bedeutung haben wir uns im Rahmen dieser Studie auch damit befasst, welche Marken denn als nachhaltig gelten. Auch für diesen Teil haben wir uns des impliziten Verfahrens der Reaktionszeitmessung bedient. Die Befragten sollten dieses Mal möglichst schnell antworten, ob sie die gezeigte Marke als nachhaltig empfinden oder nicht.  Mit diesem sehr effizienten Verfahren hat jeder Proband nach Zufallsauswahl mehr als 30 Marken bewertet. Dadurch liegen nun Bewertungen für rund 100 ausgewählte Marken aus den unterschiedlichsten Branchen vor.

Erkenntnis 1: Nachhaltigkeit wirkt positiv auf Markensympathie

Wir konnten feststellen, dass es einen hohen statistischen Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Nachhaltigkeit einer Marke und der gemessenen emotionalen Markenstärke gibt. Anders formuliert: Marken, die von den Verbrauchern als nachhaltig eingestuft werden, werden auch insgesamt positiver bewertet. Und da ein starkes Branding eine der Voraussetzungen für den langfristigen Erfolg einer Marke ist, kann eine Positionierung als nachhaltige Marke einen Wettbewerbsvorteil darstellen – es lohnt sich also, als nachhaltig wahrgenommen zu werden.

Erkenntnis 2: Es gibt Brancheneffekte – aber auch Ausnahmen

Schaut man sich die Nachhaltigkeitswerte bestimmter Branchen im Vergleich an, so sieht man, dass es massive Unterschiede gibt. So erstaunt es wenig, dass Marken aus dem Bio- oder Veggie-Segment wie Demeter, Alnatura oder Alpro als deutlich nachhaltiger wahrgenommen werden, als Getränke wie Red Bull, Coca-Cola oder gar Capri Sun.

Interessant ist auch, dass Drogeriemarken wie Rossmann und dm, obwohl ein Großteil der verkauften Produkte aus Kunststoff besteht oder in Kunststoff verpackt ist, als sehr nachhaltig gesehen werden, während die Streamingdienste Netflix und Spotify, obwohl wirtschaftlich auch sehr erfolgreich, nicht als nachhaltig wahrgenommen werden. Noch schlechter schneiden nur die Tiefkühlpizza-Marken Dr. Oetker Ristorante und Wagner Pizza sowie die Süßigkeiten von Haribo und Kinder ab.

Es gibt aber auch Kategorien, in denen die Verbraucher durchaus differenzieren. So erzielen die Kaffee-Marken Lavazza und Dallmayr Prodomo sehr hohe Nachhaltigkeitswerte, während Nespresso vergleichsweise schlecht abschneidet. Den Konsumenten ist also bewusst, dass die Herstellung und der Vertrieb von Kaffee in Alu-Kapseln der Umwelt schaden.

Als letztes vielleicht noch ein Blick auf die getesteten Automobil-Marken. Opel führt hier, vermutlich durch viele Kleinwagen mit geringem Spritverbrauch im Angebot, danach kommt Tesla – weil Elektro. Die hinteren Ränge belegen Dacia, eine Marke, die nicht als langlebig und hochwertig bekannt ist, und Porsche, quasi als Synonym für hoch motorisierte Spritfresser mit viel PS. An diesem Beispiel kann man sehr gut sehen, wie vielfältig Nachhaltigkeit doch sein kann.

Nachhaltigkeit als Brandgoal

Nachhaltigkeit ist für die Verbraucher zu einem Mainstream-Thema geworden und nicht mehr nur etwas für Idealisten oder Umweltschützer. Es ist aber auch ein sehr vielfältiges und komplexes Konstrukt, mit dem wir uns auch forscherisch auseinandersetzen müssen. Marken, die es schaffen, das Thema zu besetzen und sich als nachhaltig zu positionieren, werden langfristig einen Wettbewerbsvorteil haben. Daher sollte sich jeder Marketing- und Marken-Verantwortliche damit intensiv beschäftigen.

Auf der diesjährigen succeet werden wir uns in einem Vortrag ebenfalls mit dem Thema Nachhaltigkeit befassen, allerdings nicht mit der Begriffsdefinition, sondern der Gap zwischen tatsächlichem (Kauf-)Verhalten und dem Antwortverhalten in Befragungssituationen. Wie man diese Do-/Say-Gap überwindet und welche Methoden dafür hilfreich sind, das präsentiert Sören Scholz am ersten Messetag, 20.10.22, um 11:40 Uhr. Wir freuen uns, wenn Sie dabei sind!

Jetzt anmelden: „Nachhaltigkeit in der Krise: Die Do-/Say-Gap überlisten“ von Sören Scholz, am 20. Oktober, 11:40 – 12:10 Uhr 

Über Walter Freese

Walter Freese ist seit April 2018 bei Interrogare als Director Business Development für die Neu- und Weiterentwicklung von Kundenbeziehungen sowie den Vertrieb etablierter und innovativer Projekte verantwortlich. Zuvor war der Diplom-Sozialwirt 23 Jahren in globalen Marktforschungskonzerne wie der GfK und Kantar TNS tätig.

 

Weitere Highlights auf marktforschung.de

Editors Choice

alle anzeigen
Bitte warten, Verarbeitung läuft ...