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Interview mit Andrea Wielpütz, Chris Prox & Dr. Jörg Munkes Nachgehakt: Category Entry Points in der Praxis

Bei der WdM25 gaben Andrea Wielpütz (Congstar), Chris Prox (Chris Prox Brand Building GmbH) und Dr. Jörg Munkes (GIM) in ihrer Keynote bereits Einblicke, wie Category Entry Points (CEPs) strategisch eingesetzt werden können. In diesem Interview vertiefen sie das Thema und zeigen, wie CEPs sinnvoll mit etablierten Ansätzen wie Brand Funnel und Jobs-to-be-Done kombiniert werden können – und was Unternehmen tun müssen, damit die Erkenntnisse nicht nur im Marketing, sondern auch in Produktentwicklung, Strategie und Kundenservice wirken. Drei Perspektiven, ein gemeinsames Ziel: CEPs endlich alltagstauglich machen.

 

1. Wie kann man CEPs sinnvoll mit anderen Marktforschungsansätzen wie dem Brand Funnel oder Jobs-to-be-Done verbinden, ohne dass sich Inhalte doppeln oder widersprechen?

Andrea Wielpütz: Aus meiner Sicht hängt das stark vom Unternehmenskontext und der konkreten Fragestellung ab. Jede der genannten Methoden hat ihre eigene Stärke. Welche eingesetzt werden, sollte sich nach der Zielsetzung richten, welche Stakeholder involviert sind und wie tief man in bestimmte Themen einsteigen möchte.
Wichtig ist vor allem: Die Methoden müssen im Unternehmensalltag praktikabel sein. Es nützt wenig, theoretisch alles abzudecken, wenn praktisch nichts gelebt wird. Zu viele parallele Frameworks stiften oft Verwirrung statt Klarheit. Daher sollte vorab klar sein, welches Ziel verfolgt wird – was im Alltag auch tatsächlich anwendbar und integrierbar ist.
Jobs-to-be-Done ist in der Produktentwicklung oder Innovationsarbeit ideal, um das „Warum“ des Kundenverhaltens zu ergründen und echte Bedürfnisse zu verstehen. Category-Entry-Points bieten wiederum eine strategische Perspektive: Sie zeigen, in welchen Situationen und durch welche Auslöser eine Marke in den mentalen Suchraum der Konsument:innen gelangt. Auch hier spielt das „Warum“ innerhalb der W-Fragen eine Rolle – allerdings mit Fokus auf den mentalen Verfügbarkeitskontext und als ein Bestandteil unter vielen.
Die Methoden widersprechen sich nicht – sie können sich ergänzen. So kann die Analyse von Category-Entry-Points den strategischen Rahmen setzen, innerhalb dessen Jobs-to-be-Done vertiefend eingesetzt wird, um einzelne Themen genauer zu durchdringen oder Innovationen abzuleiten.
Der Brand Funnel dient wiederum oft als begleitendes Monitoring-Tool. Er liefert regelmäßig erhobene Brand-KPIs, die nach wie vor eine wichtige Rolle in der Unternehmenssteuerung spielen.
Fazit: Methodenvielfalt ist kein Wert an sich, Methoden dürfen nie Selbstzweck sein. Entscheidend sind Relevanz, Klarheit und Umsetzbarkeit. Methoden sollten sich ergänzen – auf ein gemeinsames Ziel einzahlen. Vor allem aber müssen sie im Alltag nutzbar sein.

Dr. Jörg Munkes: Der Brand Funnel ist äußerst hilfreich, wenn es darum geht, die Stärke einer Marke innerhalb einer Produktkategorie zu analysieren – insbesondere im Hinblick darauf, inwieweit sie es schafft, die Kategorie selbst zu definieren, also als Prototyp dafür wahrgenommen zu werden.
Brand Funnel und Category Entry Points (CEPs) ergänzen sich gut: Während der Brand Funnel die Markenwahl eher abstrakt, quasi „im leeren Raum“, betrachtet, fokussiert Byron Sharp mit dem CEP-Ansatz auf konkrete Assoziationen zu Kauf- oder Nutzungssituationen, die in realen Entscheidungsmomenten relevant sind.
Weniger gut gelingt die Verbindung von CEPs und dem Jobs-to-be-Done-Ansatz. Ohnehin: In unserer Praxis nutzen wir den CEP-Ansatz nicht streng nach Lehrbuch, da er konzeptionell nicht sauber zwischen Kontexten und Bedürfnissen unterscheidet – beides wird dort häufig pauschal als CEP zusammengefasst. Zudem wirkt der Ansatz auf mich eher funktional und mitunter technokratisch ausgerichtet.
Der Jobs-to-be-Done-Ansatz bietet hier konzeptionelle Vorteile: Er differenziert klar zwischen situativen Kontexten sowie den dahinterliegenden Bedürfnissen und Zielen. Zudem berücksichtigt er nicht nur funktionale, sondern auch emotionale und soziale Aspekte konsequent – was zu einem ganzheitlicheren Verständnis von Kunden- und Kaufmotiven führt.

Chris Prox: Der Wert von CEPs liegt nicht in ihrer isolierten Abfrage, sondern in der Verbindung mit anderen Fragestellungen und KPIs.
Die Kombination mit dem Funnel liegt auf der Hand, indem bspw. analysiert wird, inwieweit sich Fortschritte auf einzelnen CEPs auch auf den Funnel auswirken.
Grundsätzlich sollten Markenanalysen, demnach auch Markentrackings, nicht nur Puzzleteile ermitteln, sondern ein holistisches Bild zeichnen. Hierfür sind CEPs eine wichtige, aber eben nicht die einzige Komponente.
JTBD sind eher vorgelagert. Wenn man sie identifiziert hat, können sie im Tracking in ihrer Entwicklung verfolgt werden.
Wichtige JTBD könnten dann CEPs werden, die im Tracking kontinuierlich gemessen werden.

 

2. Wie schaffen wir es, dass CEP-Ergebnisse nicht nur in der Werbung/im Marketing landen, sondern auch in Produktentwicklung, Strategie oder Kundenservice genutzt werden?

Dr. Jörg Munkes: Kurze Antwort: durch Bedarfs- und Nutzerzentrierung. In unserer Markenforschung unterscheiden wir konsequent zwischen Bedürfnissen und Nutzungskontexten. Zusätzlich beziehen wir die Werteebene mit ein – genau dort entsteht die emotionale Bindung zwischen Menschen und Marken.
Diese ganzheitliche Betrachtung macht unsere Studien besonders wertvoll: Sie liefern ein tiefes Verständnis für Zielgruppen sowie deren kurz- und langfristigen Bedürfnissen. Gleichzeitig zeigen sie auf, welche Rolle Marken und ihre Produkte bei der Erfüllung dieser Bedürfnisse spielen.
Auf dieser Basis werden unsere Studien zu praxisnahen Tools – also klare Handlungsempfehlungen sowohl für die Produktentwicklung und -optimierung als auch für die strategische Markenführung.

Chris Prox: Kommunikation ist die Umsetzung der Marketingstrategie. Und diese umfasst alle „P“s.
Wenn also einzelne CEPs als wichtig erachtet werden, dann sollten sie sich generell in der Marketingstrategie niederschlagen und damit alle Marketingparameter betreffen.
Wenn sie sich allein auf die Kommunikation beschränken, werden sie nicht die Wirkung entfalten, die sie haben könnten und sollten.

 

3. Wie lässt sich sicherstellen, dass CEPs aktuell bleiben, ohne jedes Mal ein aufwendiges neues Projekt starten zu müssen?

Dr. Jörg Munkes: CEPs unterliegen in der Regel keinen schnellen Veränderungen, da sie auf grundlegenden Bedürfnissen und wiederkehrenden Nutzungskontexten basieren. Eine fundierte Grundlagenstudie hat daher eine mehrjährige Gültigkeit und kann langfristig als strategische Basis dienen.
Was sich jedoch regelmäßig verändert – und deshalb kontinuierlich gemessen werden sollte – ist die Stärke der Verknüpfung zwischen Marke und den relevanten CEPs. Diese Entwicklung lässt sich problemlos im Rahmen eines bestehenden Markentrackings abbilden und integrieren.

Chris Prox: Ich würde hier empfehlen, nicht nur die Markenperformance auf CEPs zu messen, sondern auch die Relevanz der CEPs zu erfassen. Man wird dann im Laufe der Zeit feststellen, dass einige CEPs an Bedeutung verlieren, während andere zulegen. Das geschieht aber nicht über Nacht, das Marketing hat genügend Zeit, auf diese Entwicklungen zu reagieren.
Alle paar Jahre (tendenziell alle drei bis fünf Jahre) ist es sinnvoll, sich die Marktmechanismen wieder grundlegend anzuschauen, was die CEPs einschließt.

 

4. Was ist ein guter erster Schritt für Unternehmen, die sich bisher noch nicht mit CEPs beschäftigt haben – und wie gelingt der Einstieg möglichst praxisnah?

Andrea Wielpütz: Ein praxisnaher Einstieg in die Arbeit mit Category Entry Points beginnt idealerweise mit der Identifikation der wichtigsten Kaufanlässe und Bedarfsmomente der Zielgruppe. Oft liegen bereits interne oder externe Studien vor, deren Daten ausgewertet werden können – das ist ein effizienter Weg, um eine erste Long List potenzieller CEPs zu erstellen.
Diese Long List kann im nächsten Schritt z. B. durch eine quantitative Pre-Study bewertet und priorisiert werden. So entsteht eine fundierte Short List, die dann die Grundlage für das eigentliche Tracking bildet.
Hilfreich bei der Definition von CEPs sind die klassischen W-Fragen („Wann? Wo? Warum? Wer?“ etc.). Dafür existieren bereits strukturierte Frameworks, mit denen sich zunächst ein breites Spielfeld abstecken lässt – um es anschließend gezielt auf die relevantesten Entry Points zu verdichten.
Eine zentrale Herausforderung: Manche Produkte oder Dienstleistungen gehören zwar derselben Kategorie an, richten sich aber an sehr unterschiedliche Zielgruppen – mit jeweils eigenen Kaufanlässen und Bedürfnissen. In solchen Fällen sollte frühzeitig entschieden werden, ob das Tracking differenziert erfolgen muss. Auch hier liefern Pre-Studies wertvolle Hinweise.

 

5. Was können kleine Marken konkret tun, um mit CEPs zu arbeiten – auch wenn Zeit und Budget begrenzt sind?

Dr. Jörg Munkes: Gerade für kleinere Marken bieten CEPs große strategische Chancen: Sie machen sichtbar, in welchen Bereichen oder Nischen eine Marke Relevanz und Bedeutung für ihre Zielgruppen aufbauen kann.
Der entscheidende Vorteil: Die gezielte Besetzung spezifischer CEPs erfordert deutlich geringere Budgets, als der Versuch, etablierte Marktführer frontal in der gesamten Kategorie herauszufordern.

Chris Prox: Genau richtig. Gerade für kleine Marken gilt, dass es nicht darum geht, möglichst viele CEPs zu besetzen, sondern sich auf einige wenige zu konzentrieren.
Es hilft keiner Marke, wenn sie die Nr. 5 oder 6 auf bestimmten CEPs ist. Es geht eher darum, sich Felder zu suchen, bei denen man in der mentalen Hierarchie der Menschen (sprich: An welche Marken denke im Kontext eines bestimmten CEPs?) auf’s Treppchen kommt, also es unter die Top 3 schafft.
Auch hier wieder eine Daumenregel: Die CEPs sollten wichtig sein, also nicht irgendwelche homöopathischen Themen. Auf der anderen Seite sollten es nicht die Coreneeds oder generische Situationen sein, auf die man sich fokussieren möchte. Diese sind i.d.R. von den Marktführern besetzt. Als kleine Marke hat man hier kaum eine Chance durchzudringen.
Die Konzentration auf wenige CEPs hilft dann auch dabei, Forschungsansätze kompakter zu schnüren. Ich muss nicht alles messen, sondern vor allem verstehen, wie ich in den Feldern mit strategischem Fokus vorankomme.

Hier geht's zur Keynote der WdM25: “Category Entry Points-Ansätze: alter Wein in alten Schläuchen!?”

 

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